Meeraner Blatt
Kommunikationsplattform für interessierte Bürger in und um Meerane
Im Sommerbad Gegründet im November 1989 – Online-Ausgabe seit 2004

Im Sommerbad Erinnerungen von Tasso vulgo Jens Müller

Wenn es dreimal gewittert hat, so hieß es, darf man kurze Hosen tragen ⚡️🩳.

Das jemals meine Eltern mit mir im Meeraner Freibad gewesen wären, wüsste ich partout nicht 🤔. Aber für uns Kinder, war das im Sommer, schon in der Unterstufe, mehrmals in der Woche das Ziel, wo man bei schönem Wetter den ganzen Tag verbringen konnte. Natürlich meist in den 8 Wochen Sommerferien, von denen man ja in der Regel mindestens 6 in der Heimatstadt rumhing.

Steht’s mit dabei war mein kleiner karierter Rucksack, wo irgendwelche Stadtwappen drauf genäht waren. Da war erstmal gar nichts weiter drin, als die Wechselschlüpfer und ein kleines Handtuch zum Abtrocknen und Drauflegen. Manche schleppten auch Wolldecken mit, die natürlich viel angenehmer auf der stachligen Wiese waren und wenn man mit denen befreundet war, durfte man auch darauf mit liegen. Zusätzlich zum Eintrittsgeld bekam ich noch was extra, um am Kiosk, wenn er denn mal geöffnet hatte, ein Eis oder eine Bockwurst mit Brötchen für 95 Pfennige zu kaufen. Doch vorher gab‘s jedes Mal noch die mahnenden Worte der Oma mit auf den Weg: ruh dich erst aus, wenn du angekommen bist! Geh nicht mit vollem Magen oder verschwitzt ins kalte Wasser! Und dann folgten noch Schauergeschichten von Kindern, welche deshalb Hitz- und Herzschlag bekommen hatten und ertrunken waren. Und wir Kinder glaubten das alles und warnten wiederum Gleichaltrige mit dem gleichen Quatsch. 

Uns führte der Weg jedes Mal zuerst vorbei an dem Tante-Emma-Lädchen von Baumgarts in der Hermann-Duncker-Straße. Links und rechts von der schmalen Eingangstür waren zwei ebenso schmale Fenster, welche als Schaufenster genutzt wurden. Schade, dass es davon keine Bilder gibt. Im rechten waren irgendwie hilfsmäßig Lebensmittel dekorativ zu Pyramiden gestapelt worden wie Knäckebrot, Waffelschachteln, Salzstangen und dazu Wein- und Schnapsflaschen gestellt. Ganz vorn aber lagen, für kleine Kinder gut sichtbar, die kleinen Pittiplatsch-Schokoladen, damit man auch zu Ostzeiten schön zum Quengeln animiert wurde. Im linken Schaufenster waren Imi, ATA und Spee, Scheuerlappen und Bürsten präsentiert. Aber im Grunde genommen hätte es das gar nicht gebraucht, bei dem bescheidenen Waren, was die Geschäfte in der DDR so im Angebot hatten. Links neben diesem Fenster war der Eingang für die Anlieferer, sowie zu der Wäschemangel, welche solche kleinen Läden meist noch nebenbei betrieben. Das war ein kühler Raum unterhalb der Treppe, nach außen abgetrennt mit einem Lattenverschlag. Darin stand eine Monstermaschine aus Holz, die, wenn sie in Gang gesetzt wurde, laute, klapprige Geräusche verursachte. Wenn meine Oma mich mit dahin nahm, benutzten wir einen kleinen Handwagen, auf dem der Korb stand, wo in erster Linie Bettwäsche und Tischtücher drin waren. Ab mehr kann ich mich nicht erinnern. Aber wenn Oma fertig war und es wieder nach Hause ging, lag im Korb 🧺 ein fein gefalteter Stapel blütenweißer Wäschestücke. Weil mir das Warten meist zu langweilig war, nutzte ich die Gelegenheit, den Hof hinter dem Laden auszuspionieren und auch die Waren, die in einem kleinen Hinterzimmer in Regalen und auf jeder freien Fläche lagerten, zu inspizieren. Wenn Herr Baumgart dann mal nach hinten kam, um an seinem Pult was zu notieren oder irgendwas aus den Regalen holte und mich sah, schloss er wortlos die Türe zum Treppenhaus und vorbei war es mit meiner Entdeckungsreise.

Wenn grad mal keine Kundschaft da war, nutzten die Frauen die Zeit für Social Media, damals noch Klatsch und Tratsch in Kittelschürzen. Draußen vor der Tür stand auch immer ein Gitterwagen mit Kartoffelsäcken, wo man sich selbst einen rausnehmen konnte, wenn man diesen vorher drin bezahlt hatte. Ich weiß noch, wie ich als Kind geschickt wurde, um einen Sack Kartoffeln zu holen und dafür den kleinen Handwagen nehmen sollte. Selbstüberschätzend dachte ich, dass ich den so wie die Großen auch so heimtragen könnte. Zuerst mal bekam ich den schweren Sack gar nicht über das Gitter und musste Herrn Baumgart zu Hilfe holen. Bis zur Ecke bei Krechs, wo ich links in die Karolinenstraße abbiegen musste, war mir das Netz des Kartoffelsackes schon so sehr in die Finger eingeschnitten, dass die Furchen davon nicht mal weggingen, wenn ich den Sack geschwächt und entmutigt auf den Gehsteig fallen ließ und nicht mehr weiterwusste. Ich konnte den ja nun nicht da liegen lassen, um nach Hause zu laufen und den Wagen oder Hilfe holen. Selbst in der verbrechensarmen DDR wäre der bei Rückkehr weg gewesen. Aber irgendein Erwachsener, der vorbeilief und mein Elend sah, gab mir den Ratschlag, durch die Maschen eine Kartoffel zu greifen, damit das Netz sich um diese spannt und nicht um die zarten Finger. Auch wenn das Gewicht der Erdäpfel, wie Oma sie nannte, mir immer noch zu schaffen machte, brachte ich so den Einkauf letztlich stolz bis in Oma‘s Küche, damit diese endlich damit das Mittagessen vorbereiten konnte. 🥔🥔🥔

Wenn man den Laden betrat, knarrte krächzend kurz eine Klingel und signalisierte einen neuen Kunden. Manchmal war das kleine Lädchen so voll, das ein-zwei Leute draußen warten mussten, bis jemand rauskam und Platz wurde. Aber am Vormittag, konnte es auch passieren, dass gar keiner da war, wenn man eintrat. Das mochte ich am liebsten, weil ich dann Zeit hatte, mich in aller Ruhe umzuschauen und alles in mich aufzusaugen. Direkt gegenüber war die gläserne Verkaufstheke, welche rechts ums Eck bin zur Wand verlief. Auch da wurden die Waren präsentiert und speziell auf der rechten Seite das ganze Süßzeug in Augenhöhe der Kinder, damit sich diese während des Wartens das die ganze Zeit anschauen konnten und wenn die Mutti dann an der Reihe war, die Entscheidung gefallen war, was man für sein Bravsein nun noch erbetteln konnte 🙏🍭🙏🍫🙏. 

Mit dem eigenen Geld in der Tasche musste man natürlich genau rechnen und so wusste ich, dass ich mir fürs Bad eine Rolle Hansa-Kekse und eine Flasche Vita-Cola vom Bier-Oertel leisten konnte. Diese hatten damals noch den praktischen Schnappverschluss aus Porzellan mit dem roten Gummiring dran.

In der Kinderzeitschrift FRÖSI, was von „Fröhlich sein und Singen“ abgeleitet war, waren manchmal Tipps für kleine Experimente abgebildet, welche man gefahrlos daheim ausprobieren konnte. Eins davon ging so: Man nehme diesen roten Gummiring von so einem Flaschenverschluss ab, machte zwei, gegenüberliegende Löcher da rein, wo man je ein Streichholz, mit der Kuppe nach oben reinsteckte und die Kuppen aneinanderdrückte. Dann füllte man einen tiefen Teller mit etwas Wasser und setzte diesen Schwimmring in die Mitte. Mit einem dritten Streichholz zündete man nun die beiden anderen Kuppen an 🔥, nahm ein großes, bereit gestelltes Glas und stülpte dies nun oben drüber. Was dann passiert ist, dürft ihr gerne mal selbst ausprobieren und euren staunenden Kindern oder Enkeln vorführen! 😲

Versorgt mit Futter und Zuckersaft für den Sommertag ging es weiter via Merzenberg, über die Bachbrücke, an der wir routinemäßig schauten, welchen Farbton heute die stinkende Brühe des Meerchens, dank Abwässer aus den Textilbuden und Färbereien zu bieten hatte, oder ob Ratten zu sehen waren, die man dann mit Steinen vom Schützenplatz beschoss. Nun gab es drei Wege nach oben: rechts der längste mit dem Knick am Gartenzaun des angrenzenden Grundstücks, den normale Spaziergänger nutzten. Links, wo sich in der rötlichen Erde so was wie ein Bunkereingang befand, musste man, die Füße am besten seitlich festsetzend, von Wurzel zu Wurzelstock kraxeln und kam oben dann bei dem Weg an, wo sich etwas weiter im Wald das Schneewittchengrab befand. So jedenfalls verarschten die Älteren die kleinen Kinder, welche das fasziniert glaubten. Den länglichen Hügel, wo oben irgendwelche Betonelemente zu sehen waren, welche mit etwas Fantasie die Grabsteine 🪦 aussahen, gibt es immer noch. So wurde uns erzählt, dass da Schneewittchen begraben wäre und ihr zum Schutz, oben drüber, alle sieben Zwerge. Und für jeden von denen gabs da auch einen Grabstein. In meiner mystischen Kinderwelt gab es an dieser Aussage keinen Grund zu zweifeln und so gingen wir dann immer flüsternd vorüber, wenn wir diesen Weg zum Freibad wählten.

Die mittlere Möglichkeit, hoch zum Wald zu kommen, war die steilste und Mädchen nutzten diese nie. Im Winter gab es sogar ein paar verrückte Jugendliche, welche da mit dem Schlitten runter schossen und dabei nicht nur gebrochene Knochen riskierten. Aber wenn man hier stürzte, würde man auch gefährlich, wahrscheinlich bis zum Fuße des Hanges, runter purzeln? Man war jedoch am schnellsten oben und man wollte ja auch nicht der Feigling unter den Freunden sein. Zum Glück ging es auch diesmal wieder gut und so landeten wir am mittleren Weg, der in der Mitte, quer über den großen Kastanienplatz, genannt „der Kaster“ ging und dann am Feldrand entlang weiter zum Bad führte. Ging man von da aus nach rechts weiter, führte das zu den drei Teichen, die aber nur zwei waren und eigentlich nur einer, der durch einen Wall geteilt war. Ich weiß gar nicht, ob in unserer Kindheit das Freibad im Sommer auch einmal geschlossen war, weil da etwas umgebaut wurde oder Bakterien im Wasser waren? Zumindest kam irgendwer von den Kumpels auf die Idee, dass wir in diesem trüben Waldteich ja auch, und zwar kostenlos baden könnten. So kam es dazu, dass der Mario, der mit seinen Eltern in einem Altenheim, direkt am Wald wohnte, Muckel, der sommersprossige Welzi, Braui und ich mit unseren Badesachen 🩲🥽eines schönen Sommertages dies als Ziel angepeilt hatten. Auf dem Hinweg machte Mario uns allen bissel Schiss, weil er von seinem Vater wusste, das der Teich dem Anglerverein gehörte und Baden darin strengstens verboten war. Aber meine Rowdy-Brüder juckte das nicht und hier wollte Mario nicht der Schisshase sein. Welzi mit den rötlichen Haaren und den schlechten Zähnen war der kleinste von uns, aber die größte Großfresse. Der schien eh vor nichts Angst zu haben, was wahrscheinlich an der strengen Erziehung und der Prügel lag, die er regelmäßig daheim bezog. Aber wahrscheinlich riskierte er auch da öfters eine große Lippe und Schläge als Strafe waren in den 70ern noch Gang und Gäbe. Die Sonne blinzelte durch das dichte Blätterdach des Laubwaldes, Vögel zwitscherten und Grillen zirpten auf unserem Weg. An alles Optische kann ich mich noch prima erinnern, aber was wir uns als Minderjährige so unterhalten haben, kann ich gedanklich kaum zurückholen. Mädels waren damals noch nicht so wichtig. Da eher Comichefte, Musik und Fernsehsendungen. Speziell die damals sehr spät laufende Science-Fiction-Reihe, bei der hornbeinalte Kamellen wie Die Vögel oder Tarantula aus den 50er und 60er Jahren gezeigt wurden. Außer Muckel bei deiner alten Mutter und Braui, der mit seinem älteren Bruder schon einen ollen Fernseher im Kinderzimmer hatten, durfte an sich keiner von uns so lange aufbleiben. Umso mehr lauschten wir anderen gebannt, wenn die beiden dann wieder einen dieser Filme auswerteten. Ich hatte nur einmal das Glück, damals auch ein bisschen was von so einem Film zu sehen, als mein Vater am Samstag nach dem Preisskaten versackt und meine Mutter vor dem Fernseher eingeschlafen war. Ich wusste ja, dass abends ein Science-Fiction angekündigt war, und schleich mich aus meinem KZ, öffnete ganz sachte die Wohnzimmer und tiefer, wo der alte schwarz-weiß Fernseher flimmernde. Meine Mutter saß im Sessel, der Kopf war zur Seite abgekippt, und ich hörte sie ganz leise schnarchen. Der Film lief schon und wie immer hatten wir ein sehr grusliges Bild. In der Szene, die nun folgte, Saman, einen alten Wissenschaftler, einen jungen Mann und eine junge Frau im Arztkittel vor einem großen Aquarium stehen. Alle drei waren Japaner. Der Professor erklärte irgendetwas über eine Pille, welche er dann in das Aquarium schmiss. Daraufhin fing das Wasser darin an zu sieden. zu blubbern und dämpfe stiegen auf, so dass ich alle drei die Hand vor den Mund hielten. Als sich der Nebel verzogen hatte, schwammen nur noch die Skelette der Fische in dem Wasser. Das allein reichte für mich damals schon für einen echten Grusel. Aber weil meine Mutter immer wieder Anstalten machte, aufzuwachen, verschwand ich immer wieder in mein Zimmer, um mich, dann erneut anzuschleichen. So hatte ich dann doch noch das Glück, die Monster Echse Feuer spannend und Hochhäuser zertrampelnd in Aktion zu sehen. Obwohl der Trick schon damals eigentlich lächerlich war, mit diesem Kostüm, in dem irgendein Schauspieler durch eine Stadt aus Papphäusern stampfte, fasziniert mich das gesehene total. Dumm war nur, dass nun im Treppenhaus das Licht anging und ein Poltern das Heimkommen des Hausherren ankündigte. So konnte ich noch schnell genug ins Bett flüchten und war überglücklich, nun endlich auch einmal einen dieser Filme, wenigstens Minuten lang gesehen zu haben.

Als ich am Montag darauf zur Schule kam und auf das Grüppchen unserer Klasse zu lief, welche im Kreis um ihre Ranzen standen, hörte ich schon, wie Braui den staunenenden Zuhörern, gerade vom spektakulären Wochenend-Horrorfilm berichtete. Ich wartete noch den richtigen Moment ab und warf dann ein: die Stelle, an der das Aquarium zum Kochen gebracht wurde, war aber auch ziemlich stark und bekam von Braui einzustimmen des nicken. Und auch, als ich genau Bescheid wusste, wie das Monster aussah und sich bewegt hat, fühlte ich mich plötzlich, als würde ich zu den Aleen Wissenden gehören. Gruppenzwang ist schon etwas Eiigenartiges.

An den drei Teilchen angekommen, Muster wir erst mal das Terrain rings um und das Wasser. Die Temperatur war vollkommen okay, da ja auch hier den ganzen Vormittag schon die Sonne drauf schien. Wenn man aber einen Stock rein reckte, sah man diesen schon nach wenigen Zentimetern nicht mehr, weil er im trüben Grünbraun verschwand. Außerdem schwamm auf der Oberfläche allerlei Zeug Blätter und Zweige und vor allem die Wasserläufer, welche zackig auf der Oberfläche hin und her schwirrten. Der Gedanke, dass ich beim Schwimmen so ein Insekt verschlucken könnte, steigerte nicht gerade meine Lust in diesen Tümpel zu steigen. Mario war jetzt schon außer sich und betonte immer wieder Nö, Nö, Nö … Hier gehe ich auf keinen Fall hinein. Den anderen dreien schien die Situation egal und schon zehnte zu sie sich aus und der erste suchte schon nach einer Stelle, wo er ins Wasser reingehen könnte. Diese fand sich dann auf der gegenüberliegenden Seite, wo wir allerdings nicht mehr vom Wald geschützt waren und man uns schon vom weiten hätte sehen können. Welzi war der erste, dessen weiser Körper mit einem Hechter im Wasser verschwand, Braui indes tastete sich langsam durch den schlammigen Boden, der recht schnell, steil abwärts ging und Muckel, der Verrückte, nah Anlauf, ohne nachzudenken, ob es an der Stelle eigentlich tief genug war, zog die Beine an, umfasste diese mit seinen Armen, sprang und knallte mit einer Bombe auf die Wasseroberfläche 💣💦. 

Da Mario sein NEIN ganz klar kundgetan hatte und ständig wiederholte und uns auch ins Gewissen redete, was man sich in der Brühe alles wegholen könnte, war ich nun wohl der nächste? Das, was Mario mit negativen Worten zu beeinflussen versuchte, tat Muckel nun, indem er mich anfeuerte. Er brauchte einfach nur Colt Seavers zu rufen und ich hatte prompt die Lässigkeit und den Mut unseres Serien-Idols aus „Ein Colt für alle Fälle“ vor Augen. Stuntman oder Kaskadeure, so wie sie im Osten hießen, waren zu dieser Zeit unsere großen Vorbilder und das, was wir als nun schon große Jungs am liebsten spielten. Cowboy, Indianer, Ritter und Kosmonaut waren nun Babykram! Aber unter der Prämisse, dass wir Stuntman in einem Filmdreh wären, konnte man das beruhigt auch noch mit 10/11 Jahren weiter so machen ☺️. Vielleicht waren wir sogar auch schon älter? So Gruben sich nun meine Fußzehen auch erst in den schlammigen Boden, bis ich das Gefühl hatte, mit den Füßen darin vollkommen zu versinken. Irgendwann fühlte sich das so eklig an, dass ich Schwung holte und mich nun auch zum Schwimmen ins Wasser hinein gleiten ließ. Das ist hier nicht so klar wie in der Badeanstalt war, machte mir überhaupt nichts aus. Nur ein paar Jahre zuvor hatte ich schminken gelernt, in dem mich mein Vater bei einem FDGB-Urlaub in einem Wohnwagen am Rande von Berlin einfach in die Dahme warf, nachdem ich drei Tage lang nur vom Bootssteg aus den anderen Kindern beim Baden zugeschaut hatte. Hier hatte ich auch Schiss vor dem trüben Wasser und noch mehr von den so genannten Blutegeln, welche an der Leiter zum Einstieg klebten. Die ortsansässigen Jungs hatten mir erzählt, dass diese sich auch an Menschen festsaugen und dann das Blut abzapften. Allein dieser Gedanke, dass solches Viehzeug dann ständig im Wasser um mich herum-schwamm, flößte mir mächtigen Respekt und Schiss ein. Wie ich aber dann nach dem Reinwurf, zuerst entsetzt wieder aus dem Wasser kam, mich kurz aufregte und merkte, dass überhaupt nichts passiert war, ging ich sofort wieder rein und war den Rest des Urlaubs kaum wieder rauszukriegen. Danke noch mal Vater, dass du da gar nicht lang gefackelt hast 🙏. Manchmal im Leben ist einem mit einem Arschtritt mehr geholfen, als mit Verständnis, Rücksicht und Toleranz. 

Im Teich hatten wir vier, dann auch mächtig Spaß, sprangen immer wieder wild rein, versuchten dabei Überschläge und Salto, titschten uns gegenseitig oder versuchten, die Badehose runterzuziehen. Mario liebt währenddessen immer wieder um den Teich herum, redete für sich selbst und schaute nervös in die Gegend, ob irgendwer kommen und uns überraschen könnte. So ging es auch mehrere Tage, bis sich einer von uns in eine Angelschnur, welche unter Wasser trieb, mit dem Fuß verhedderte, weiter schwimmen wollte, und merkte, dass er festhing. Ganz schnell gerät er in Panik, und die anderen wussten erst gar nicht, was los war, da die Situation typisch albern nach gespielten Chaos aussah. Zum Glück konnte er sich dann selbst daraus befreien, denn von uns tat auch keiner etwas dergleichen, ihm zu helfen, da alle noch dachten das sei nur Spaß. Mir selbst war am gleichen Tag auch schon etwas Blödes passiert. Beim Schwimmen spürte ich plötzlich, wie irgendwas längliches über meinen Rücken glitt und ich schrie vor Schreck laut auf. Daheim hatte ich erzählt, wie clever wir waren, dass wir dort in dem Teich baden gingen. Aber Stadt Applaus und Anerkennung bekam ich nur Rüge und die Warnung, dass in diesen Teichen auch Ratten drin wären, welche Menschen reisen würden. Diese Horror Geschichte traute ich gar nicht, meinen Freunden zu erzählen. Aber nachdem ich da etwas Femdes so nah an meinem Körper gespürt hatte, hatte ich kein Bedürfnis mehr nach Baden im Waldsee. Und so war das auch für uns alle unser letzter Badetag in der Natur und ohne Eintritt. Dabei war dieser damals nun wirklich spottbillig gewesen. Noch bevor wir das Bad in der Ferne durch die Baumstämme erblicken konnten, hörte man vom weiten schon das Rauschen der Filteranlage und Kinder fröhlich, laut lachen und schreien. Nun passierte es auch, dass Kinder aus anderen Richtungen in kleinen Grüppchen kamen und wir alle das gleiche Ziel hatten. Deshalb kam es am Eingang auch oft zu einer kleinen Schlange, welche aber schnell abgearbeitet wurde. Von außen war nur eine Front aus Holz zu sehen, an welcher in hellblauen, alten Buchstaben der Schriftzug SOMMERBAD angebracht war.  

War man an der Kasse vorbei, zogen sich nach rechts Umkleidekabinen und Toiletten nach hinten und links, ebenso, bis zum Kiosk. Von hier aus war zuerst das große Schwimmerbecken mit den Startblöcken, den beiden Einern und dem Dreimeterturm.  Dies war dann abgetrennt vom „Mittleren“, wo sich die Nichtschwimmer vergnügen konnten. Über die ganze Front führte eine Treppe mit ein paar Stufen hinein und wenn man bis ganz hinte lief, war es dann doch auch schon so tief, dass dort nur noch Erwachsene stehen konnten. Um diese beiden rechteckigen Bassins führte ein zentimetertiefer Fußlauf, der mit einer Handbreit Wasser gefüllt war. Dieser hatte den Nutzen, dass man, wenn man von der Wiese kam oder ein Ferkel war, immer gezwungen war, die Füße vorm Betreten des großen Beckens, erst mal ins Wasser zu tauchen. Extra waren auch noch an allen vier Ecken Duschen.

Noch ein ganzes Stück weiterhin, unter einer großen Trauerweide war dann das so genannte Planschbecken, in dem die Kleinkinder und Babys ihre Notdurft verrichteten und darin spielten. Ab einem gewissen Alter ekelte man sich schon, wenn man nur mit den Füßen da reingehen, weil das wirklich immer pisswarm war. Das lag aber nicht am Urin der Kleinen, sondern daran, weil es ja nur ganz flach war und sich deshalb schon bei wenig Sonne aufheizte. Im Halbrund gab es da auch ein paar Bänke, wo dann meist die Senioren ihr Sonnenbad genossen und auf die Enkel und Urenkel aufpassten. An einem leichten Hang war dann eine riesige Liegewiese, welche oben beim Zaun wieder an den Wald grenzte. 

Bei der Wahl des Platzes waren wir meist nicht wählerisch. Möglichst nah am Wasser war schon mal gut. Der Rest war eigentlich egal. Die langhaarigen Jugendlichen jedoch hatten ihren Point stets ganz vorn, gleich neben dem Kiosk, wo es ja auch, neben den ganzen Fressereien, Bier gab. Außerdem war es ja wichtig, dass coole und mutige Springer, von den gleichaltrigen Mädels auch gut bewundert werden konnten. Auch spielten die Großen an dieser Stelle häufig eine „Ecke“. Wenn man da als Kleiner in die Nähe kam, musste man damit rechnen, dass man im Gefecht umgestoßen wurde oder einen ein Typ gleich mal ins Wasser schmiss. Deshalb vermied man es in der Regel auch dort entlangzugehen, und nahm lieber den längeren Weg an den Toiletten vorbei auf der anderen Seite. Also blieben wir im Teenageralter mit unserer Decke am besten von beim mittleren liegen und wanderten mit dem Älterwerden immer weiter in Richtung Kiosk. Wenn wir alle unsere Handtücher und Decken ausgebreitet hatten, wurde sich noch einmal daraufgesetzt und gelegt, da man ja nach dem anstrengenden Weg nicht gleich ins Wasser gehen sollte. Aber es dauerte nicht lange, bis die ersten aufspringen und mit Gebrüll zum Wasser liefen. Naja, dazu brauche ich jetzt nichts weiter zu erzählen, weil das die Generation vor uns und auch Die von heute genauso machen. Wenn ich aus dem Wasser rauskam, ging es an den verschnürten Rucksack, wo neben der 🤽🏻Schwimmstufe🏊🏻‍♂️, dem Portmonee die Rolle Kekse wartete und eine, in der prallen Sonne heiß gewordene Vita Cola. Durstig lies man, den Schnappschluss aufspringen und wegen der Schüttelei beim Laufen, sprudelte diese nun erst mal mit Druck heraus aus der Flasche und kleckerte, wenn’s gut geht in die Wiese und nicht auf die Decke. Das Zusammenspiel vom Chlor in der Luft, der süßen Brause und der gemähten Wiese ergab einen ganz bestimmten Duft, der mich viele Jahre später gedanklich wieder zu diesem Kindheitsmoment ins Sommerbad der Siebziger zurückholte. 

Ich glaube, es war zur Jahrtausendwende oder ein Jahr später, als ich das zweite Mal als Tourist in Paris war. Das Hotel damals war zwar keine richtige Absteige, aber im Vergleich zu dem, was man inzwischen als zehnjähriger Bundesbürger in Österreich oder Italien so kennenlernen durfte, eigentlich doch! In der Dusche hätten sich jeden deutschen Fliesenleger die Fußnägel aufgerollt, wenn er diese Schlumperei gesehen hätte 😱. Aber zum Duschen war es vollkommen okay. Das Badezimmer war auf jeden Fall gründlich gereinigt worden, denn das konnte man noch deutlich am Chlorgeruch riechen. Sogar ein französisches Duschbad war kostenlos bereitgestellt. Als ich mich dann nach der Ankunft erst mal frisch machen wollte und das Wasser auftrete, kam dieses regelrecht kochend heiß aus der Wand und man musste es erst mal regulieren, damit man sich nicht verbrühte. Aber dadurch war nun dieses kleine, fensterlose Räumchen mit Wasserdampf gefüllt. Als ich schön gleichmäßig nass war, nahm ich das Duschbad und drückte mir einen großen Klecks davon in die Handfläche, verrieb es kurz und schäumte mich danach von oben bis unten damit ein. Plötzlich erfüllte ein mir sehr bekannter Duft den Raum, und ich versuchte krampfhaft, diesen zu deuten. Während ich mich wusch, presste ich konzentriert meine Augen zusammen und grübelte und grübelte, woher ich diesen Geruch kenne? Und dann entstanden Bilder in meinem Kopf, und ich hörte lautes rufen und lachen von Kindern, spürte plötzlich den Sommer und wusste, dass ich gedanklich im Sommerbad Meerane in meiner Kindheit war. Aber Sommer hat ja eigentlich nur einen Geruch, wenn es gewittert hat und die Straßen nass sind oder frisch gemähtes Gras. Aber das hier roch irgendwie anders und das lag an diesem Duschgel. Es dauerte noch eine Weile, bis ich darauf kam. Es roch nach warmer Vita Cola! Und nicht nur das, gemischt mit allem hier drum herum, aber vor allem mit dem Chlor, widerfuhr mir der Moment, wenn warme Cola im Sommer, im Freibad auf die Wiese kleckerte. 👃🌊🤽🏼‍♂️🌊☀️. Man muss dazu noch erwähnen, dass die Cola unserer Kindheit viele Jahre aus dem Handel erst mal vollständig verschwunden war und man den Geruch beziehungsweise Geschmack auch gar nicht abrufbar hatte. Mit diesem Duschvorhang bekam ich dennoch eine gewisse Wehmut nach diesem Getränk und freue mich, es ein paar Jahre später wieder in den Geschäften zu sehen. Eigentlich war ich nie ein Freund von Fanta, Coke und Sprite gewesen. Aber so 5-6x im Jahr eine gute alte, eiskalte Vita Cola tut besonders gut, wenn man am Vortag mal einen zu viel gezwitschert hat. ✨🐦‍⬛✨

Da es ja in der Kleinstadt im Sommer, wenn man nicht gerade verreist war, nichts großartig zu erleben gab, blieben wir in der Regel, bis der Bademeister über die Lautsprecher verkündete, dass die Kinder unter 16 Jahren 18:00 Uhr das Bad zu verlassen hatten. Für Ältere war es bis 20:00 Uhr geöffnet und später, als Jugendliche, kletterten wir im Sommer, auf dem Heimweg vom Ebb auch manchmal über den Zaun und gingen betrunken noch baden, bis die Polente kam. 

Wer zwischendurch Hunger hatte und noch genug Geld, holte sich am Kiosk Bockwurst mit Brot. Aber manchmal gingen wir auch raus, um uns im Gondelteich oder dem kleinen Konsum, der wohl schon zur Crotenlaide gehörte und an einen Betrieb angeschlossen war, was zu kaufen. Irgendeine komische Regel gabs damals, wenn man das Bad verließ und ich weiß auch nicht mehr, was man bekam, damit man dann wieder rein konnte. Neidisch schaute man dann beim Zusammenpacken zu den Kindern, welche mit ihren Eltern oder großen Geschwistern da waren und somit noch bleiben konnten. Dann ging der Helfer des Bademeisters auch rum und ließ sich von welchen, die noch zu jung aussahen und alleine waren, den Ausweis zeigen und schmiss sie gegebenenfalls raus, wenn die beschmuhn wollten. 

Für den Heimweg nutzten wir dann oft die Crotenlaider Straße, weil man im Bad noch so manch anderes Kind getroffen hatte, was man kannte, und sich der gemeinsame Weg anbot, bevor wir in verschiedene Richtungen abbiegen mussten.

Und so ging wieder ein wunderschöner Ferientag in der Kinderzeit glücklich zu Ende.

Hinzufügen möchte ich noch etwas, bevor erst irgendwelche der Meinung sind, sie müssen nun beklagen, dass Meerane kein Freibad mehr hat. Genauso wie das Kino, die Disco im Schützenhaus oder die vielen Kneipen, hat auch unser Bad nach der Wende nicht mehr funktioniert. Die Menschen wollten plötzlich Spaßbäder mit meterhohen Rutschen haben, Großraum Discos und Multiplex-Kinos. Mit nichts waren sie mehr zufrieden, was einst doch so schön gewesen ist. 

Zeiten ändern sich und Zeiten ändern dich!

Egal, um was für ein Geschäft es sich handelt, es kann nur überleben, wenn Menschen es nutzen, hingehen und nicht nur jammern, dass alles immer teurer geworden ist, aber ihr Geld heutzutage für ganz andere Dinge ausgeben.

Und noch etwas… Die Ansprüche der Generation von heute sind nicht die gleichen wie die von uns damals.

Und wenn diese wieder ein Sommerbad, eine Disco in der Stadt oder ein Kino haben wollen, dann müssen Sie eben selbst etwas dafür tun!

TASSO, Meerane d. 15.3.2025