Meeraner Blatt
Kommunikationsplattform für interessierte Bürger in und um Meerane
Ausgabe Nr.47 – 7. September 2010 Gegründet im November 1989 – Online-Ausgabe seit 2004

Virtuelle Ausgabe Nr. 47 vom 7. September 2010

 

Meeraner Kaleidoskop

 

Sonderausgabe zum 20-jährigen Jubiläum der Städtepartnerschaft Meerane – Lörrach

von Dr. med. Peter Ohl, Bürgermeister a. D. der Stadt Meerane

Städtepartnerschaft Meerane - Lörrach Städtepartnerschaft Meerane - Lörrach
Vertragsunterzeichnung am 7. September 1990
OB Offergeld (rechts) und BM Peter Ohl
Blick in den Lörracher Ratssaal während der Festsitzung

Wie es begann:

Die Stadt Meerane hatte zu DDR-Zeiten keine Partnerstadt. Am „Runden Tisch“ kam im Januar 1990 wie auch andernorts die Frage nach einer Partnerstadt in der Bundesrepublik auf. Horst Willig, später Stadtrat in Meerane, hatte über die Jahre Verbindung zu den ehemaligen Meeraner Textilfabrikanten Funke, Bohrisch und Bochmann gehalten, die nach 1945 wegen des sog. Glauchauer – Meeraner Wirtschaftsverbrecher- Prozesses 1948 nach Lörrach geflohen waren.
Mit einem Brief an Oberbürgermeister Rainer Offergeld im Lörracher Rathaus bereitete er den Besuch von einer kleinen Meeraner Delegation mit dem damaligen Bürgermeister Klaus Müller im Februar 1990 in Lörrach vor. Auch der Lörracher Wolfgang Graupner, ehemaliger Meeraner, bemühte sich um Kontakte zu seiner Heimatstadt und trat im Februar dem frisch gegründeten Meeraner Bürgerverein bei.

Am 27. März trafen OB Rainer Offergeld und BM Hans-Werner Grotefendt zum Gegenbesuch in Meerane ein. Am „Runden Tisch“ teilte man mit, dass der Lörracher Stadtrat positiv zu einer Städtepartnerschaft mit Meerane stehe. Den offiziellen Kontakten müssten Kontakte auf allen Gebieten folgen. Der OB erläuterte die Grundzüge einer kommunalen Selbstverwaltung. Daraufhin wurde vereinbart, ab April entsprechende Schulungen in Meerane durchzuführen. Die ersten Unterweisungen führten die Lörracher Amtsleiter Friedrich Gnädinger und Helmut Kima für die künftigen Meeraner Stadträte durch. Es folgten Lörracher Stadträte und weitere Fachbedienstete aus dem Rathaus. Der Beschluss zu einer Städtepartnerschaft sollte in Lörrach aber erst nach der Kommunalwahl in der DDR gefasst werden, zumal vom damaligen Meeraner Bürgermeister Müller auch eine weitere Partnerschaft zur Stadt Hattingen angestrebt wurde. OB Offergeld hatte sich aber klar für eine „Monogamie“ ausgesprochen.

Ich war am 31. Mai 1990 in Meerane zum Bürgermeister gewählt worden. Eine Woche später, am 7./8. Juni, besuchte ich in Begleitung von Martina Hertzsch, Dieter Lindner und unserem damaligen Fahrer, Andreas Gerth, erstmalig Lörrach.

Im Lörracher Rathaus wurden wir wie alte Bekannte empfangen. Das hat es mir leicht gemacht, besonders im Hauptamt, dem Bauamt und der Kämmerei meine vielen Fragen zu stellen. OB Offergeld führte mich durch die Bereiche und ließ mich an Beratungen teilnehmen. Das wurde mir zum Vorbild für den Verwaltungsaufbau und die Ratsarbeit in Meerane. Von der Stadt selbst habe ich mir erst nach mehreren Besuchen ein Bild machen können.

Am 14. Juni sprach sich der neu gewählte Meeraner Stadtrat in seiner ersten Sitzung nach der Konstitutierung einmütig für eine Städtepartnerschaft mit Lörrach aus.

Inzwischen waren schon weitere Kontakte zustande gekommen (Bildungsreise von Hortnerinnen, Kontakte der beiden katholischen Kirchgemeinden, Kontakte vom DRK, von Polizeirevieren und Vereinen, Einladung von 30 Meeraner Kindern zu Ferien in Lörrach u. v. a. m.) Erste Lörracher Firmen klopften ihre Möglichkeiten im sächsischen Meerane ab. So die Tiefbaufirma Vogel Walliser (JVW) und die Rechtanwaltssozietät Harrer, Krevet, Seidler. Durch letztere kam Jürgen Martens, jetzt sächsischer Justizminister, nach Meerane und war mir über 10 Jahre wichtiger juristischer Berater.

Frühzeitig wurde über diese Kontakte von der Badischen Zeitung, dem Oberbadischen Volksblatt und dem Meeraner Blatt berichtet und es wurden, wie zuweilen noch heute, Informationen ausgetauscht.

Der Partnerschaftsvertrag unserer Städte wurde heute vor 20 Jahren, am 7. September 1990, im Lörracher Ratssaal von OB Rainer Offergeld und BM Peter Ohl im Beisein der Stadträte beider Städte und vieler Gäste feierlich unterzeichnet.

Ohne die persönlichen Beratungen durch OB Offergeld und BM Grotefendt, ohne die vielen Schulungen durch erfahrene Lörracher Verwaltungsbeamte in Meerane und umgekehrt Hospitationen von Meeraner Verwaltungsmitarbeitern und von mir selbst in Lörrach, wäre Meerane beim Aufbau der kommunalen Selbstverwaltung nur schwer zurecht gekommen. Zudem wurden uns drei junge Verwaltungsbeamte vermittelt, die einige Jahre in Meerane ihr Fachwissen eingesetzt haben.
Es gab auch materielle Unterstützung: Fahrzeuge für unsere Verwaltung, Feuerwehr und den Werkhof haben uns viel geholfen. Besonders hervorzuheben ist auch die Ausstattung des Meeraner Ratssaales in der Leipziger Straße, den die Wappen unserer beiden Städte zierten.

Städtepartnerschaft Meerane - Lörrach

Stadtratssitzung 1992 im Meeraner Ratssaal in der Leipziger Straße.
Die Ausstattung und das Mobiliar waren eine Spende der Stadt Lörrach

Vom permanenten Wissenstransfer profitierten nicht nur die Verwaltung und Stadträte, sondern auch die städtischen GmbH´s und der bwasserzweckverband. Auch die Vermittlung von Kontakten zur THÜGA (Gasversorger) und zur GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) oder die Mitwirkung beim Architektenwettbewerb 1999 für den geplanten Bau eines neuen Rathauses verdankt Meerane der Partnerschaft. (Wenn letzteres auch damals nicht realisiert werden konnte, war es doch lehrreich.)

Rückblick

Meerane hat beim Aufbau der kommunalen Selbstverwaltung, die in der DDR unbekannt war, viel von der Partnerschaft profitiert. Aber das ist nur die eine Seite. Ich bin überzeugt, dass die deutsch-deutschen Städtepartnerschaften im Allgemeinen und die von Meerane und Lörrach im Besonderen viel dazu beigetragen haben, dass Vorurteile zwischen Ost und West durch den guten Umgang miteinander wenig Nährboden gefunden haben.

Davon haben die Meeraner und die Lörracher profitiert.

Gerade die große Entfernung zwischen unseren Städten und das Drängen von OB Offergeld auf eine Monogamie der Partnerschaft haben zu einer Städtefreundschaft geführt, die von vielen Menschen in unseren beiden Städten getragen wurde und wird.

Und heute?

Natürlich lebt eine Partnerschaft von persönlichen Verbindungen. Diese sind unter den Stadtspitzen von Lörrach und Meerane 1990 begründet worden und haben sich auf fast allen Lebensbereichen unserer Städte verselbständigt. Frau OB Heute-Bluhm hat 1995 das Begonnene fortgeführt. Höhepunkt war die Beteiligung der Lörracher an der 825-Jahrfeier von Meerane im Jahr 1999. Inzwischen hat sich manches verändert. Ich bin seit 2001 nicht mehr im Amt.
20 Jahre sind eine lange Zeit. Manche Freunde und Bekannte der ersten Jahre leben nicht mehr. Neue Kontakte sind hier und da hinzugekommen. Getragen wird die Städtepartnerschaft m. E. heute weniger von der politischen Verwaltungsebene, sondern von gewachsenen Beziehungen, von Freundschaften, Freundschaften auch in den Verwaltungen.
Meine Frau und ich sind jedes Jahr in Lörrach. Beim Gang durch die Stadt trifft man immer alte Bekannte und fühlt sich heimisch, als wäre man gestern erst hier gewesen. Die Partnerschaft lebt.
In beiden Rathäusern gibt es heute Beauftragte für die Partnerschaft, die für den offiziellen Bereich zuständig sind.

Meerane hat sich in den letzten 20 Jahren von der grauen Maus zu DDR-Zeiten zu einer bunten Stadt entwickelt. In meiner Amtszeit wurde der Grundstein für den wirtschaftlichen Aufschwung gelegt. Als Reaktion auf die absterbenden volkseigenen Betriebe der Textilindustrie und des Fahrzeugbaus (Trabant) und die damit verbundene hohe Arbeitslosigkeit wurde mit viel Einsatz von Verwaltung,Stadtrat und einer speziell dafür gegründeten Stadtentwicklungsgesellschaft die marode Infrastruktur der Stadt schrittweise erneuert und ein fast 150 Hektar großes Gewerbegebiet entwickelt.
Hier entstanden nach und nach über 3500 Arbeitsplätze und es kommen immer weitere dazu. Nach wenigen Jahren zählte Meerane dadurch in Sachsen zu den Städten mit den höchsten Gewerbesteuereinnahmen pro Einwohner. Die Steuereinnahmekraft betrug z. B. 2006
795 €/EW.
(Quelle: Statistisches Landesamt Sachsen/ Meeraner Blatt)

Mein Nachfolger im Amt hat die Entwicklung der Innenstadt weiter vorangetrieben, viele Industriebrachen beseitigt, aber auch Neubauten erstellen lassen, die sich Meerane auf Grund seiner guten Finanzlage leisten kann (Rathaus, Bibliothek, Kunsthaus u. a.). Wer heute nach längerer Abwesenheit wieder durch Meerane geht, wird den historischen Stadtkern nicht wiedererkennen. Ich denke, Meerane geht es gut, wenn auch leider die Bevölkerungszahl im Gegensatz zu Lörrach weiter sinkt. Seit 1990 hat die Stadt ein Fünftel ihrer Einwohner verloren.

(Aus einer Zuarbeit für die Badische Zeitung vom 30. August 2010,
hier ungekürzt für die Leser vom mb) 

 

Veranstaltungen

 

Das Bundesministerium des Inneren veranstaltet am 27./ 28. September 2010 in Berlin zusammen mit der Deutschen Gesellschaft e. V. einen Partnerschaftskongress

Deutsch-deutsche Partnerschaften
Städte, Landkreise und gemeinden als Gestalter der deutschen Einheit

Teilnahme auf Einladung. Es wird darüber berichtet

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Aktuell berichtet

 

Leserbrief zur 20-jährigen Städtepartnerschaft Meerane – Lörrach

Die Sonderausgabe aus Anlaß des 20-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft zwischen Meerane und Lörrach ist sehr gut gelungen und bringt in einem (zwangsläufig) gedrängten Rahmen die Hintergründe, Erfreulichkeiten und persönlichen Kontakte anschaulich zum Ausdruck.
Ergänzend möchte ich noch auf die Zusammenarbeit mit der Rechtsanwaltssozietät Harrer, Krevet, Seidler und Partner eingehen, die in den Anfangsjahren für den Aufbau der kommunalen Selbstverwaltung in der Stadt Meerane, der Entwicklung des Gewerbegebietes und bei der Lösung der mit dem Einigungsvertrag verbundenen rechtlichen Problemen eine außerordentliche Hilfe waren.
Namentlich möchte ich RA Dr. Jürgen Martens nennen, der insbesondere bei der Umsetzung der komplizierten Schritte zur Lösung der vermögensrechtlichen Fragen, sprich Zuordnung des kommunalen Eigentums und der Suche nach praktikablen, rechtssicheren Lösungen im Zusammenhang mit dem Investitionsvorranggesetz ein kompetender Ansprechpartner war.
Desweiteren muß unbedingt RA Josef Seidler genannt werden, ohne den die oftmals an der Grenze des Scheiterns stehenden anfänglichen Vertragsverhandlungen mit Firmen zur Ansiedlung im Meeraner Gewerbegebiet wohl nicht erfolgreich zu Ende gebracht worden wären und dessen wertvolle Unterstützung und Hilfe zu „wasserdichten“ Kaufverträgen erheblich beigetragen haben.
Und last but not least möchte ich noch RA Uwe Dinkat erwähnen, der in seiner langjährigen Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied der Meeraner Stadtentwicklungsgesellschaft (MESTEG) ein sehr zuverlässiger, abwägender und vermittelnder Berater dieses Aufsichtssgremniums war und somit u. a. seinen Anteil an der erfolgreichen Entwicklung und Ausprägung des Gewerbegebietes hat.
Gleichermaßen wichtig war der durch den OB von Lörrach vermittelte mehrjährige Einsatz von drei jungen Verwaltungsbeamten aus den alten Bundesländern, den Herren Becker, Fedrow und Koch, die durch ihre bescheidene, sachorientierte, verständnisvolle und fachliche Arbeit eine sehr wertvolle Stütze bei der Bewältigung der anstehenden Probleme in der Verwaltung als auch den kommunalen Eigengesellschaften waren.

Gottfried Dombrowski, Meerane


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